Aus der Biografie 14

1895/96: Eheschließung und Versuche als Lehrer

Henry Hart, zeitlich der späteste der Biografen, der in seinem 2017 erschienen Werk The Life of Robert Frost auf die Bücher seiner Vorgänger zurückgreifen konnte, konzentriert sich unter anderem auf bis dahin weniger beachtete Figuren, etwa Robert Frosts Schwiegereltern Henrietta und Edwin White: "Weniger um gesellschaftliche Nettigkeiten besorgt als Henrietta, tat Frost sein Bestes, um Edwin zu ignorieren. Er hatte drei Jahre gebraucht um Elinor zu gewinnen, jetzt, zur Hochzeit, hatte er kein Verlangen, den Kampf gegen ihren Vater fortzusetzen. Er war froh und erleichtert, dass die Zeremonie am 19. Dezember 1895, einem kalten Wintertag, im Klassenzimmer seiner Mutter endlich stattfand. Für einen Dichter, der einmal ein ausgesprochener Meister traditioneller Formen werden sollte, war die Zeremonie überraschend untraditionell und zwanglos. Nur wenige Gäste außer den Familienangehörigen waren anwesend. Belles alter Freund John Hayes, Priester der Swedenborgschen Kirche, erklärte das Paar zu Mann und Frau. Wenigstens erlaubte die Hochzeit Frost mit der Frau zusammenzuleben, die zeitweise seine Avancen untergraben und ihn 'an den Rand des Untergangs' gebracht hatte."
Elizabeth Sergeant wählt poetische Worte zur Beschreibung der Eheschließung: "Alles, was Rob Elinor zur Hochzeit geben konnte, war er selbst, junger Liebhaber und Ehemann; und sich selbst als Dichter, der etwas von einem kalten Kristall an sich hatte, ein Anderssein im Mittelpunkt seines Wesens. Dichter und Liebhaber waren nicht voneinander zu trennen; Elinor wusste dies, heiratete und akzeptierte ihn mit allen Entbehrungen, Sorgen, Freuden und Stolz, die eine solche Mitgift einer Frau bieten kann."
Aus finanziellen Gründen verschob das Brautpaar die Hochzeitsreise auf den Sommer und führte stattdessen den Unterricht an der kleinen Privatschule, die Belle Frost inzwischen eröffnet hatte, weiter. Der junge Ehemann aber spürte bald, dass ihm das Wichtigste, die Poesie, nicht mehr von der Hand ging. Offenbar hatte das beginnende Eheleben seine Hingabe auf ein anderes Gebiet verlagert. Pathetisch, wie es oft seine Art war, schrieb er einen Monat nach der Hochzeit an Susan Hayes Ward, die Herausgeberin des Independent, die von ihm weitere Gedichte erwartete: "Vielleicht warten Sie lieber nicht länger. Seit Sie das letzte Mal etwas von mir gehört haben, habe ich getan, was ich konnte, um mein Versprechen als Dichter einzulösen. Doch ich fürchte, ich bin kein Dichter, oder wenn, dann nur ein sehr schwer verständlicher."
Noch während des Schuljahrs begann er unter verschiedenen körperlichen Symptomen zu leiden, er bekam diffuse Bauchschmerzen, verlor zuweilen den Appetit. Gelegentlich wachte er in der Nacht schweißgebadet auf, ohne jedoch Fieber zu haben. "Akute nervöse Anspannung" war die sehr allgemeine Diagnose des Arztes. Der Verlauf des Frühjahrs 1896 war aber auch in hohem Maß geeignet, nervöse Spannungen auszulösen: Seine Mutter war krank geworden, und er musste sie in der Schule unterstützen. Zu diesem Zweck beendete er seine Verpflichtungen als Grundschullehrer in Salem, New Hampshire, (wo Langeweile für ihn die größte Strapaze gewesen war). Als er begann, in Vertretung seiner Mutter ältere Schüler in Latein, Algebra und Geometrie zu unterrichten, merkte er, welch hohe Anforderungen diese Arbeit stellte. Dazu kam die provisorische Wohnung, die die Jungvermählten mit Mutter und Schwester teilen mussten. Auch war inzwischen klar geworden, dass man unbedingt mehr Schüler brauchte, um die Räume in dem Bürogebäude weiter mieten zu können. Und so belastete ihn die Vorstellung, er habe Elinor mit dem falschen Versprechen zur Heirat überredet, die Schule könnte den Lebensunterhalt für vier Lehrkräfte sichern. Er glaubte, Elinor würde die schwierige Lage als ein weiteres Versagen seinerseits sehen. Am schlimmsten aber war für ihn ihr erbittertes Schweigen zu alledem, das ihn fürchten ließ, sie habe es bereut, ihn geheiratet zu haben. Im Frühjahr stand er kurz vor einem Nervenzusammenbruch. "Das Wichtigste an der Ehe ist", bemerkte Frost später, "dass man lernt, da, wo der andere keine Anspielung gemacht hat, auch keine zu vermuten. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich das herausgefunden habe."
Wie erwähnt, litt Frosts literarische Produktion stark unter den Verhältnissen. Im Juli 1896 schrieb er an Susan Hayes Ward, nur weil die Schule jetzt beendet sei und er eine Woche mehr oder weniger am Stück durchgeschlafen habe, könne er ihr schreiben. "Wenn es nicht zu spät ist, würde ich gerne von Ihrer Freundlichkeit Gebrauch machen und noch ein Gedicht veröffentlichen, bevor ich sterbe." Das Gedicht, das er mitschickte, war ein kleines Liebesgedicht, das er vermutlich schrieb, nachdem er sich von den Strapazen erholt hatte: I Slept all day, / The birds do thus / That sing a while / At eve for us. // To have you soon / I gave away—/ Well satisfied / To give—a day.// Life’s not so short / I care to keep / The unhappy days; / I choose to sleep.
Susan Hayes Ward veröffentlichte The Birds Do Thus "aus Mitleid mit ihrem melodramatischen Schützling", wie Hart schreibt, noch 1896 im Independent. Frost hat es in keine seiner späteren Gedichtsammlungen aufgenommen.

 

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