Vom inhaltlichen Aufbau her ist es ein untypisches Sonett, denn die Quintessenz der beiden letzten Zeilen fehlt. Stattdessen erzählen die Quartette eine kleine Geschichte und die Terzette eine andere, in beiden erweisen sich böse Intentionen als wenig erfolgreich. Das verbietet, hierin ein Anti-Kriegs-Gedicht zu sehen, obwohl vom Tod eines Menschen die Rede ist. Vielmehr fallen die vielen Synonyme und Homonyme auf, die den Übersetzer teilweise vor unlösbare Probleme stellen. Das beginnt schon mit dem Titel. Rangefinder ist ein Entfernungsmesser am Fotoapparat oder an Schusswaffen, in der Tat wird in dem Gedicht der Blick sowohl auf Fernes als auch auf Nahes gerichtet. Range heißt u. a. Reichweite, und tatsächlich ist diese Vokabel äußerst reich an ganz verschiedenen Bedeutungen, die in den vierzehn Zeilen in anderem Gewand wieder auftreten. So erweist sich die Überschrift als eine Leseanleitung. Da es keine Entsprechung in der deutschen Sprache gibt, wurde Fadenkreuz gewählt, das sich sowohl auf Schusswaffen als auch auf Textilien bezieht. Denn es werden nicht nur ein (geflochtenes) Nest und ein Spinnennetz explizit genannt, sondern noch so manch anderer Begriff aus diesem Wortfeld ist in den Text eingewebt. Ähnlich wie The Ovenbird lässt sich das Gedicht daher auch als Darstellung des kreativen Schreibprozesses deuten, der sprachliche Laute, Rhythmen und komplexe Wortbedeutungen zu einem Ganzen verspinnt.
Lesen Sie auch den Essay "Wörter Treffen" von Ingeborg Schimonski zu dem Gedicht Range-Finding