The Silken Tent

The Silken Tent

She is as in a field a silken tent
At midday when the sunny summer breeze
Has dried the dew and all its ropes relent,
So that in guys it gently sways at ease,
And its supporting central cedar pole,
That is its pinnacle to heavenward
And signifies the sureness of the soul,
Seems to owe naught to any single cord,
But strictly held by none, is loosely bound
By countless silken ties of love and thought
To every thing on earth the compass round,
And only by one's going slightly taut
In the capriciousness of summer air
Is of the slightest bondage made aware.

Das Seidenzelt

Dem Seidenzelt im Feld gleicht sie, genau,
wenn Sonnensommerluft der Mittag bringt,
gelöst die Seile und verweht der Tau,
sodass es in den Ankern locker schwingt,
und sein zentraler Zedernpfosten scheint,
indem die Spitze aufzeigt zum Zenit,
als ob die Seelensicherheit er meint,
und ist wohl auch mit allen Schnüren quitt,
obschon sie keine Leine zu straff hält,
und sie mit Pflicht- und Liebesseidenband
zu jedem Ding auf dieser runden Welt
lose gebunden ist, doch leicht gespannt,
sie sich im kapriziösen Sommerwind
beim Gehn der leichten Fesselung entsinnt.

Aus einem einzigen Satz besteht dieses meisterhafte Sonett, ohne dass es beim Lesen unübersichtlich wirkt. Subjekt ist eine weiter nicht bestimmte sie, vielleicht eine spezielle Frau, vielleicht alle Frauen. Das Pronomen im Deutschen erlaubt auch weitere Assoziationen, zum Beispiel die Beziehung zu einer Frau, oder die Persönlichkeit im allgemeinen, unter der sich auch Männer vorstellen lassen. Weitere Lesart kann sein, das Zelt als stellvertretend für Frosts Art der Poesie zu nehmen, als eine Selbstreflexion über seine Arbeit also. Der Text ist voller Oxymora, hier beziehen sie sich auf den Kontrast von Bindung und Freiheit. Ersteres ist umschrieben unter anderem durch Seile, Anker, Schnüre, letzteres mit gelöst, locker und quitt. Dieses Hin- und Herschwingen, das sich durch das ganze Gedicht zieht, wird fest zusammengehalten durch die ersten drei Zeilen der zweiten Strophe, wo vom zentralen Zedernpfosten gesprochen wird. Er verweist auf die Mitte und die Stärke der Person, die sich freiwillig und aus sich heraus bindet, sodass die Integration der beiden scheinbar gegensätzlichen Bestrebungen gelingen kann.

I.S.

 

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