Stopping by Woods on a Snowy Evening

Stopping by Woods on a Snowy Evening

Whose woods these are I think I know.
His house is in the village, though;
He will not see me stopping here
To watch his woods fill up with snow.

My little horse must think it queer
To stop without a farmhouse near
Between the woods and frozen lake
The darkest evening of the year.

He gives his harness bells a shake
To ask if there is some mistake.
The only other sound's the sweep
Of easy wind and downy flake.

The woods are lovely, dark, and deep,
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.

Abends am Wald, bei Schneefall

Wes Wald das ist, weiß ich Bescheid
er wohnt im Dorf, und insoweit
wird er mein Stehn und Schaun nicht sehn,
auf seinen Wald, auf den es schneit.

Mein Pferdchen staunt über das Stehn,
wo doch kein Hof ist zu erspähn,
nur Wald und Teich mit Eis ist hier,
zur schwärzten Nacht im Jahrgeschehn.

Es schüttelt's Glöcklein am Geschirr,
Was soll das? fragt mich so das Tier.
Als Ton sonst nur leicht Wehn im Tann -
und daunenweich sinkt Schneegewirr.

Der Wald, schwarz, tief, lockt, zieht in Bann,
doch Wort zu halten, das treibt an,
hab's weit, bis ich dann schlafen kann,
hab's weit, bis ich dann schlafen kann.

Stopping by Woods klingt nach Lesebuch 3. Klasse. In der Tat kennt jedes Schulkind in den USA das Gedicht, das wohl das populärste Frosts ist – und auch dessen Lieblingsgedicht. Wie mühelos strömt eine Zeile locker aus der anderen hervor, obwohl ausnahmsweise das Versmaß akkurat eingehalten und das Reimschema äußerst raffiniert ist. Jay Parini kommentiert, das Gedicht erscheine derart natürlich, dass man sich gar nicht vorstellen könne, es sei erfunden worden. Die Zeilen The only other sound’s the sweep / Of easy wind and downy flake besäßen mit ihrer eigenartig verführerischen Modulation der Vokale und Konsonanten eine gespenstische Perfektion. Und die letzte Strophe mit ihrer eindringlichen Wiederholung gebe dem Gedicht diese Doppelbödigkeit, die alle guten Gedichte Frosts beanspruchten.1 Inhaltlich spielt das Gedicht mit dem Kontrast von weiß und schwarz, von Leichtigkeit und Düsternis: leicht sind die Flocken, leicht fährt der Schlitten über den Schnee, kein Mensch weit und breit, der das lyrische Ich in seinen Gedanken und Gefühlen stört. Der Wald dagegen ist schwarz und unergründlich, und die Nacht die schwärzeste des Jahres, konkret ist damit die längste des Jahres gemeint, doch wie weiter unten zu lesen ist, kann diese Farbe auch den Gemütszustand des Sprechers umschreiben. Geheimnisvoll oder gefährlich wird es zu Beginn der letzten Strophe, als der allzu schöne Anblick lähmend wirkt, was bei Winterkälte gefährlich werden kann. Doch wieder kommt die überraschende Wendung: Die Erinnerung an die Pflichten reißt aus der Versunkenheit, das Pferdchen trabt wieder leicht dahin, und das Geschehen nimmt ein gutes Ende – zumindest vorläufig. Denn die Verdoppelung der Endzeile scheint wohl darauf hinzuweisen, dass es zwei Arten Schlaf gibt: den Nachtschlaf und den, der unser Leben umgibt und aus dem niemand mehr erwacht.

Werner Friedls Biografie über Frost erzählt die Entstehungsgeschichte dieses Gedichts, basierend auf Henry Harts Lebensbeschreibung. Hart berichtet von einer Episode aus diesen Jahren, die sich um die Weihnachtszeit 1905 oder 1906 zugetragen habe. Frost war – wie schon mehrmals zuvor in seinem Leben – der Verzweiflung nahe. Er war mit seinem Schlittengespann, gezogen von seiner Stute Eunice, die dreieinhalb Kilometer zum Markt nach Derry gefahren um Eier dort anzubieten. Von dem Erlös wollte er Weihnachtsgeschenke für die Kinder besorgen. Doch er musste zurückfahren, ohne etwas verkauft zu haben. Müde, durchfroren und der Überzeugung, er könne niemals hinreichend seine Familie versorgen, ließ er Eunice am Waldrand anhalten, lockerte die Zügel und – dies seine eigenen Worte – "heulte wie ein Baby, bis es keine Tränen mehr gab."2 Er starrte auf den Wald und dachte über seine Möglichkeiten nach, bis das Pferd sich schüttelte und die Glöckchen an seinem Geschirr erklangen, als ob es ihm signalisieren wollte, wie verrückt, wenn nicht gar selbstmörderisch es doch sei, abends im Dunkeln und in der Kälte hier am Wald im Schnee stehenzubleiben. Endlich, ohne große Ermunterung seitens ihres Herrn, setzte sich Eunice von selber wieder in Bewegung und zog den Schlitten zurück zur Farm. Frost sagte später, dieser emotionale Moment hätte ihm die Idee zu dem Gedicht Stopping by Woods on a Snowy Evening eingegeben. Es sei sein Lieblingsgedicht, unter anderem, weil es wie ein Geschenk in einem Augenblick der Inspiration zu ihm gekommen sei; er habe einfach nur auf eine Stimme in seiner Vorstellung gelauscht und niedergeschrieben, was sie ihm diktiert habe.

Auch wenn Frost unterschiedliche Versionen über die Bedeutung von Stopping by Woods erzählt habe, so Hart, deute es doch auf einen bekannten Konflikt in seinem Werk hin, nämlich zwischen dem Verlangen aufzugeben und dem entgegengesetzten Verlangen durchzuhalten. Die dunklen Wälder New Hampshires verströmten eine verlockende, unter Umständen tödliche Anziehungskraft. Würde sich der Mensch auf dem Schlitten ohne geeignete Ausrüstung in den Wald begeben, wäre er bald erfroren. Aus Pflichtgefühl seiner Familie, seiner dichterischen Laufbahn und seinem Pferd gegenüber, widerstehe Frosts grübelnder Sprecher dem Sirenenruf des Waldes.3 Frost, der gern über allzu psychologische Interpretationen seiner Gedichte spottete, gab in diesem Fall zu, dass der einsame Sprecher in Stopping by Woods einen Todeswunsch hege, während sein geistig gesundes Pferd den Wunsch nach Leben habe.4 Edwin Arlington Robinson5, mit Frost befreundeter Dichter aus Neuengland und wie dieser mehrfacher Pulitzerpreisträger, hielt diese vier Zeilen für die "besten in der gesamten modernen Dichtung" und hängte sie sich über sein Bett.6

I.S.

→ Lesen Sie dazu auch den Artikel von Ingeborg Schimonski: "Promises not Kept - Zu Robert Frost, Paul Celan und Michael Braun"

→ Hören Sie Robert Frosts Vortrag von Stopping by Woods on a Snowy Evening auf YouTube

siehe auch unseren Forum-Eintrag vom 4. September 2024

_________________________

1 vgl. Parini, S. 213
2 The Robert Frost Encyclopedia, Westport, 2001, S. 348 f.
3 Hart, S. 123 f.
4 Hart, S. 124
5 Edwin Arlington Robinson (1869–1935), US-amerikanischer Lyriker; er erhielt dreimal den Pulitzerpreis für Dichtung. https://de.wikipedia.org/wiki/Edwin_Arlington_Robinson
6 Thompson, The Years of Triumph, S. 418

 

← vorheriges Gedicht · Übersicht · nächstes Gedicht →